Nachteilsausgleich

Rechtliche Grundlagen zum Nachteilsausgleich

  • Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG)
  • § 48 Schwerbehindertengesetz (SchwbG)
  • § 10 Abs. 1 Satz 1 des Schulgesetzes (SchG)
  • § 3 Abs. 5 des Schulgesetzes (SchG)
  • § 33 Abs. 4 der Grundschulordnung (GSchO)
  • § 2 Abs. 2 der Übergreifenden Schulordnung
  • § 50 Abs. 4 der Übergreifenden Schulordnung

Alle Kinder mit Behinderung, unabhängig davon ob ein sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegt oder nicht, haben grundsätzlich Anspruch auf Nachteilsausgleiche, zusätzliche Hilfsmittel und spezielle Kommunikationsmittel sowie Integrationshilfen im Unterricht.


Was müssen Eltern tun?

Die Eltern stellen einen formlosen Antrag bei der jeweiligen Schulleitung. Die Nachteilsausgleiche sind in den Bundesländern unterschiedlich geregelt.
Die fachlichen Anforderungen werden nicht geringer bemessen als bei den übrigen Schülerinnen und Schülern. Der Nachteilsausgleich dient der speziellen Kompensation der durch die Behinderung entstehenden Nachteile und stellt keine Bevorzugung der behinderten Schülerinnen und Schüler gegenüber den Mitschülerinnen und Mitschüler dar.
Zur Begründung des Nachteilsausgleiches fügen die Eltern ärztliche Atteste oder Bescheinigungen bei. Die Schulleitung vereinbart daraufhin in Absprache mit dem Klassenlehrer/in und Fachlehrern konkrete Maßnahmen, die das individuelle Leistungsvermögen und die Fähigkeiten berücksichtigen. Schlussendlich wird der Antrag mit den ausgearbeiteten Handlungsvereinbarungen an die jeweilige Bezirksregierung weitergeleitet.

Beispiele des Nachteilsausgleichs (Auswahl)

  • Bereitstellen oder Zulassen spezieller Arbeits- oder Hilfsmittel wie Mitschriften, Hausaufgaben etc. am Computer, Laptop
  • Spezifisch gestaltete Arbeitsmaterialien und Aufgabenstellungen, Verzicht auf Referate vor den Mitschülern
  • Geeigneter Sitzplatz im Klassenzimmer
  • Zugabe von Arbeitszeit bei Klassenarbeiten, Leistungstests
  • Einzel- statt Gruppen-Leistungsarbeiten besonders bei vokalen Tics (separater Raum)
  • Ersetzen einer mündlichen durch eine schriftliche Arbeitsform oder umgekehrt (z. B. bei starken motorischen Tics bzw. Zwängen beim Schreiben )
  • Ggf. befristetes Aussetzen der Benotung in bestimmten Lernbereichen
  • Flexible Pausen (Zeitpunkt, Dauer) zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit, zum Austiccen
  • Größere Exaktheitstoleranz (z.B. Schriftbild, zeichnerische Aufgaben)
  • Einzelfallhilfe (Begleitung durch eine dritte Person)

Eingliederungshilfe

Die Eingliederungshilfe ist im SGB XII geregelt. Je nach Bundesland sind entweder die örtlichen Sozialhilfeträger (Städte und Landkreise) oder die überörtlichen Sozialhilfeträger (z.B. Bezirke oder Landessozialämter) für die Eingliederungshilfe zuständig. Auch Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate beeinträchtigt bzw. gefährdet ist. Bis heute ist noch nicht eindeutig festgelegt, ob das Tourette Syndrom eine seelische Behinderung im Sinne des kinder- und Jugenhilfegesetzes darstellt. Diese Tatsache kann die Bewilligung eines Antrages erschweren. Der behandelnde Kinder- und Jugendpsychiater sollte dieser Tatsache in seinem Arztbericht Bedeutung beimessen.

Leistungen der Eingliederungshilfe

  • Heilpädagogische Hilfen für Kinder, die noch nicht zur Schule gehen z. B. Frühförderung Integrationshelfer im Kindergarten
  • Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung z. B. Unterstützung für eine angemessene Schulausbildung, z.B. Integrationshelfer bzw. Schulbegleiter, Übernahme der Kosten für eine Internatsunterbringung
  • Unterstützung zu einer angemessen Berufsausbildung und Arbeitsstelle z. B. Hilfen zu einer Berufsausbildung, Hilfen für ein Studium, Unterstützung bei der Erwerbstätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt, z. B. Integrationsfachdienst, Unterstütze Beschäftigung und begleitende Hilfen im Beruf, Werkstätten für behinderte Menschen, Tagesförderstätten
  • Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, z. B. Versorgung mit nicht medizinischen Hilfsmitteln zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, Hilfen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben (z.B. Übernahme von Fahrtkosten, Bereitstellen einer Begleitperson)
  • Unterstützung zum selbstbestimmten Wohnen, z. B. Fördermöglichkeiten für barrierefreies Wohnen
  • Leistungen zur Teilhabe rin einer vollstationären Einrichtung (z.B. Wohnheim), z. B. Betreuung bei Freizeitaktivitäten, Ambulant betreutes Wohnen, Wohnassistenz

Einzelbeschulung

Im Rahmen des Nachteilsausgleichs besteht in besonders schwierigen Fällen die Möglichkeit der Einzelbeschulung.
In allen Bundesländern muss die Voraussetzung erfüllt sein, dass eine reguläre Beschulung im Klassenverband für mehr als 6 Wochen nicht möglich ist (z.B. aufgrund der Einschätzung des Klassenlehrers, Beschluss einer Klassenkonferenz oder Diagnose eines Arztes). Den Antrag muss hierbei die Stammschule bei der übergeordneten Schulbehörde gestellt werden Die Stammschule ist zunächst die bisher besuchte Schule. Bei angestrebtem Schulwechsel ist es die für den Wohnort zuständige Regelschule.
Wenn die Stammschule nicht in der Lage ist, Einzelbeschulung mit dem zugehörigen Lehrpersonal zu leisten, muss die nächste übergeordnete Schulbehörde eine Lösung herbeiführen. Dies kann der Einsatz von Lehrern anderer Schulen sein oder die Nutzung anderer Institutionen, wie z. B. die Schule für Kranke, Mobiler Dienst o. ä., die es in unterschiedlichen Organisationsformen in allen Bundesländern gibt.

Allgemeine Tipps

Aufgrund einschlägiger Erfahrungen aber auch Gesprächen mit Verantwortlichen aus den Ministerien empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:
Im ersten Schritt ist das vertrauensvolle, offene Gespräch mit dem Klassenlehrer und dem Schulleiter zu empfehlen. Insbesondere sollten auch die aktuellen Behandlungsmaßnahmen erläutert werden, um aufzuzeigen, dass auch seitens der Eltern alles Mögliche zur Verbesserung der Situation getan wird.
Bringen Sie Ideen und Vorschläge ein. Fragen Sie nach Möglichkeiten, wie Sie bestmöglich unterstützen können. Vermeiden Sie unbedingt Konfrontation. Stellen Sie keine Forderungen. Das Gespräch sollte zunächst dazu dienen, die Einstellung und Bereitschaft zur Integration einschätzen zu können.

Vermeiden Sie Missstimmung. Sie verbaut die Chancen einer späteren, einvernehmlichen Lösung. Einvernehmen ist dabei ganz wichtig, denn eine von übergeordneten Behörden verordnete Maßnahme führt nicht zu einer dauerhaften Lösung. Im Gegenteil: Für den betroffenen Schüler wird der Schulbesuch unter Umständen zum Spießroutenlauf.
Um einen eigenen Eindruck der Klassensituation zu gewinnen, dürfen Eltern nach Abstimmung mit der Lehrkraft am Unterricht teilnehmen (hospitieren). Hier kann auch die Unterrichtsteilnahme anderer Eltern hilfreich sein, um Sichtweise eines Außenstehenden zu erhalten. Eltern dürfen außerdem in Abstimmung mit der Lehrkraft und dem Sekretariat Einsicht in Schulakten nehmen. Es ist empfehlenswert, dass Eltern bei der Erstellung der Antragsformulare tatkräftig mitwirken, um den Lehrern möglichst wenig Aufwand abzuverlangen. Dies setzt die Lehrer auch ein Stück weit in Zugzwang, sich ihrerseits zu engagieren.

Haben Sie das Empfinden, dass der Schulleiter nicht zur Beschulung bzw. Integration im Klassenverband bereit ist, schlagen Sie die Überprüfung einer Einzelbeschulung vor. Empfehlen Sie die Beteiligung des zuständigen Schulpsychologen. Da Schulleiter in der Regel eine Einzelbeschulung nur mit großem organisatorischem Aufwand realisieren können, werden sie „als kleineres Übel“ kreative Wege suchen bzw. mitgehen, um eine Beschulung im Klassenverband zu ermöglichen.
Haben Sie das Gefühl, dass alle Anstrengungen nicht zur gewünschten Zusammenarbeit bzw. Unterstützung des Kindes durch die Schulleitung führen, sollte die übergeordnete Schulbehörde eingeschaltet werden und ein Schulwechsel in Erwägung gezogen werden.